Warum Diäten nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein sollten
Abnehmen bzw. Gewichtsreduktion ist so eine Sache. Von den einen gefürchtet, von den anderen zum Fetisch erhoben und von manchen bis zum suchthaften Exzess getrieben, ist dieses Thema ein Dauerbrenner – im alltäglichen Leben wie in medialen Darstellungen. Aber warum ist das eigentlich so ein »großes Ding«? Ist es wirklich so schwer, dauerhaft sein Optimalgewicht zu halten? In diesem Artikel argumentieren wir, dass es eigentlich ganz leicht ist und Diäten in Wahrheit nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein sollten.
Die falsche Suggestion des »Diät-Begriffs«
Diäten kursieren in der Alltagswahrnehmung wie Schreckgespenster. Und irgendwie ist der Umgang mit ihnen doch ziemlich paradox: Einerseits nehmen sich viele von uns vor, demnächst mal wieder eine Diät zu machen, andererseits fürchten und hassen wir sie wie die Pest. In der Tat sind diejenigen, die aus masochistischen (oder welchen auch immer) Neigungen heraus eine wirkliche Vorliebe für Selbstkasteiung und Diäten entwickeln und daraus einen regelrechten Fetisch machen, in der Minderheit. Auf der Oberfläche mag dies freilich anders erscheinen, denn nahezu jeder macht heute irgendwie »Diät«. »Diätmachen« ist nämlich auch zu einem Erfolgssymbol geworden: Man zeigt dadurch auch ein Stück weit, dass man sich gut selbst kontrollieren kann und versucht sich damit eben auch von anderen abzugrenzen, auf die man dann im Gegenzug häufig herablassend niederschaut und sich vermeintlicherweise für jemand Besseres hält.
Die Wahrheit ist jedoch, dass Diäten, so wie sie heute praktiziert werden, einer ganz falschen, perfiden Logik folgen: Sie suggerieren, man könnte in episodischer Manier sich hin und wieder mal ein wenig selbstkasteien und disziplinieren und sich dadurch gewissermaßen von seinen Sünden reinwaschen, nur um kurz danach sein Leben wieder völlig unbehelligt in gewohnten Bahnen weiter laufen zu lassen. Und es passt ja auch zur Logik der dominanten wirtschaftlichen Produktionsweise in unserer Zeit; denn schließlich möchte ja kein gewinnmaximierender Unternehmer der Welt die Probleme seiner Kunden, für die er eine Lösung in petto zu haben verspricht, wirklich nachhaltig lösen. Würde er es nämlich tun, dann gingen ihm in kürzester Zeit die Kunden aus. Insofern wird man durch mediale, wissenschaftliche und politische Diskurse gerade dazu angehalten, immer mal wieder Diäten zu machen und dabei auch ordentlich zu etwaigen Nahrungsergänzungsmitteln und dergleichen zu greifen. »Diäten« sind heute in erster Linie ein Business. Dabei reichte es doch vielmals bereits aus, sich an zwei bis drei Tagen die Woche einen Pulsmesser umzuschnallen und gemächlich ein Stündchen zu joggen, um nachhaltig fit und gesund zu bleiben (das Robert-Koch-Institut empfiehlt etwa ca. 2,5 Std. moderate Bewegung pro Woche, die für die Gesundheitserhaltung ausreichend seien).
Wir alle halten »Diät«, ob wir wollen oder nicht
Was in jenen Diskursen nun aber oftmals unter den Tisch fällt, ist die Tatsache, dass wir alle und als Menschen immer schon Diäten gehalten haben, ja sogar permanent – ob bewusst oder unbewusst, sei dahingestellt – halten müssen. Dies erschließt sich, indem man sich die ursprüngliche Wortbedeutung einmal vergegenwärtigt: Das Wort »Diät« leitet sich nämlich aus dem Altgriechischen δίαιτα/díaita ab und wurde ursprünglich im Sinne von »Lebensführung« oder »Lebensweise« verwendet. Insofern kann im Grunde jede Form der Kultivierung von Nahrungsmittelbeschaffung, -zubereitung und -aufnahme als »Diät« gelten. Wir können sogar sagen, dass die lebenspraktische Notwendigkeit, sich mit Nahrung zu versorgen, wie automatisch dazu führt, dass man gewisse Praktiken, Routinen und damit eben Diäten ausbilden und kultivieren muss. In dieser Vorstellung hält also selbst derjenige Diät, der sich von morgens bis abends von Chips und Cola ernährt, nur dass eine solche Ernährungsweise eben keine besonders »vernünftige« Diät darstellt.
Hat man dies einmal begriffen, wird einem auch schlagartig klar, dass es in Sachen gesunde Ernährung und Lebensweise nicht um etwas Episodisches gehen kann: Man muss dauerhaft Routinen ausbilden, die einem ein ausbalanciertes, gesundes und vor allem erfreuliches Leben ermöglichen. Und das heißt eben gerade nicht, dass man sich radikal beschränken und selbstkasteien muss bzw. sollte; vielmehr braucht man im Grunde bloß einen vernünftigen, ausgeglichen Umgang mit Ernährung und Bewegung zu finden. Niemand sollte auf Süßigkeiten oder fettes Essen verzichten, nur sollte man diese Dinge eben nicht tagtäglich bis zum Exzess konsumieren.
Die Essenz dieses Artikels mag letztlich völlig banal anmuten, aber das worum es geht, kann eben auch nicht anders als banal bezeichnet werden: Es geht um die Herstellung eines gesunden Gleichgewichts zwischen Ernährung, Bewegung, Denken und Fühlen. Dies zu sehen und ernst zu nehmen, stellt die eigentliche und größte Schwierigkeit bei der ganzen Angelegenheit dar.