Stangerbad in der Physiotherapie - Baden in elektrisiertem Wasser
Das Stangerbad ist eine Behandlung aus dem Bereich der Physiotherapie
und somit keine Wellness-Anwendung. Im Gegenteil: Das Baden in elektrisiertem,
stark erwärmten Wasser gilt als förderlich bei vielen verschiedenen
Krankheitsbildern und Beschwerden. Dabei macht sich das Stangerbad,
welches in einer Spezialwanne durchgeführt wird, das Wissen
um die Hydroelektrik und deren Wirkungen auf den Körper zu Nutze.
Der Name Hydroelektrik leitet sich ab vom griechischen Wort "Hydros" für
Wasser und bedeutet somit eine Kombination aus Stromimpulsen und
Wasser, wobei der Strom durch das Wasser besonders gut regulierbar
durch den Körper fließen kann. Auch Elemente aus der Elektrotherapie
werden hier also eingesetzt. Seit der Entdeckung des Stangerbads
mit seinen positiven Effekten haben sich die hydroelektrischen Behandlungsmethoden
stetig weiterentwickelt; eine alternative Behandlung zum Stangerbad
ist heute das Vierzellenbad (siehe "Wo man die Behandlung durchführen
kann".) Das Stangerbad wird dabei meist auf ärztliche Verschreibung
hin ambulant oder im Rahmen einer Kur durchgeführt. Für
die Anwendung selbst sind jedoch keine Ärzte, sondern Physiotherapeuten
(Krankengymnasten) oder Medizinische Bademeister mit entsprechender
Qualifikation zuständig.
Damals und Heute: So funktioniert die Anwendung
Entdeckt wurde die Wirkung der Hydroelektrik auf den Körper eher zufällig:
Der Gerbermeister Stanger, zeitlebens mit dem Gerben von Leder beschäftigt,
litt an einer chronischen Gicht-Erkrankung. Bei seiner Tätigkeit kam er
stetig mit leichtem Strom in Kontakt, den sein Sohn Heinrich Stanger zur Verbesserung
des Gerbprozesses einsetzte. Erst nach einiger Zeit bemerkte Stanger den positiven
Effekt, den diese unfreiwillige "Therapie" auf seine Beschwerden hatte. Im Laufe
der Zeit entwickelte sich aus diesem Wissen das nach ihm benannte Stangerbad,
welches seit 1951 namentlich geschützt ist. Mit der Erfindung des Stangerbads
untersuchte man erstmals die Effekte hydroelektrischer Anwendungen auf den menschlichen
Körper. Hiermit sind alle Anwendungen gemeint, die sich die Wirkung von
elektrisiertem Wasser zu Nutze machen. Beim Stangerbad spielen neben den Stromreizen
auch die Wärmeeffekte eine große Rolle. Durchgeführt wird die
Behandlung in einer Spezialwanne, welche rund 800 Liter umfasst und somit deutlich
größer ist als eine gewöhnliche Badewanne. An den Seiten dieser
Wanne befinden sich galvanisierte Metallplatten, welche frei wählbar als
Plus- oder als Minuspol (Anoden und Kathoden) fungieren. Durch ein ebenfalls
an der Wanne angebrachtes Schaltpult kann sowohl die Stromstärke als auch
die Verteilung von Plus- und Minuspol reguliert werden. Während des Stangerbades
liegt der Patient in der Spezialwanne und erhält die speziell auf ihn und
seine Beschwerden abgestimmten Stromimpulse. Ist beispielsweise die rechte Körperseite
betroffen, werden die Metallplättchen entsprechend dieser Beschwerde gepolt,
so dass sie zielgenau auf diese Partie einwirken und umgekehrt. Während
der Behandlung wird dann ein deutlicher Stromimpuls ausgeübt, dessen Intensität
jedoch dem Empfinden des Patienten angepasst wird. Zu Schmerzen darf es bei stärkerem
Strom dabei nicht kommen, ebenso wenig förderlich ist ein zu schwacher Impuls.
Während der Behandlung durchfließt der Strom den gesamten Körper,
was unterschiedliche Effekte mit sich bringt (siehe "Wirkungen und Effekte").
Weil eine hydroelektrische Anwendung immer besondere Vorsichtsmaßnahmen
und eine entsprechend qualifizierte Handhabung erfordert, darf das Stangerbad
nur in zertifizierten Spezialwannen und nur durch ausgebildete Therapeuten angewandt
werden. Auch an die Kureinrichtung oder Praxis, die das Stangerbad anbietet,
werden strenge Anforderungen gestellt. Neben der eigentlichen hydroelektrischen
Wirkung und dem Wärmeeffekt kann die Anwendung durch spezielle Gerbzusätze
intensiviert werden. Zusätzlich verfügen moderne Spezialwannen heute
oftmals auch über Düsen zur Unterwasserstrahlmassage, welche einen
zusätzlich stimulierenden, wohltuenden Effekt ausübt.
Wirkungen und Effekte des Stangerbad
Das Stangerbad ist eine hochwirksame physiotherapeutische Anwendung.
Die stetigen Elektroimpulse üben einen gezielten Reiz auf Muskeln und Nerven aus, welcher
zur Heilung chronischer Beschwerden oder akuter Erkrankungen genutzt wird. Dieser
besondere Effekt ist kaum mit anderen Therapien zu vergleichen. Neben der Wirkung
des eingesetzten Stroms, welcher durch das Wasser zum Einen gleichmäßig
und zum Anderen intensiver auf den Körper einwirken kann, ist auch der Wärmeeffekt
entscheidend für den Behandlungserfolg. So kommt es durch die Durchflutung
des Körpers mit Stromimpulsen zu einer lokalen Durchblutungssteigerung,
welche bis zu fünf Mal so stark werden kann wie im Normalzustand. In den
tieferen Muskelschichten beträgt diese Steigerung immerhin das Dreifache.
Unterstütztend hierzu wirkt auch das warme Badewasser auf die Hautoberfläche
und deren Durchblutung ein. Die Durchblutungssteigerung sorgt für eine Durchwärmung
des gesamten Organismus. Dies bewirkt eine enorme lokale Stoffwechselsteigerung
bis in die einzelnen Zellen hinein, welche hieraufhin zur Regeneration und Erneuerung
angeregt werden. Aus diesem Grunde wird das Stangerbad gern als Maßnahme
zur Rehabilitation von Gelenken beispielsweise nach einer Operation angewandt.
Auch chronisch verkrampftes Muskelgewebe wird durch die Kombination aus Elektroreiz
(wie auch bei der Elektrotherapie) und enormer Durchblutungssteigerung wieder
entspannt, was beispielsweise Rückenbeschwerden entgegen wirkt. Ein weiterer
Effekt des Stangerbades ist die Stimulation der Nerven. Diese kann je nach Ausrichtung
von Plus- und Minuspol zu einer Steigerung oder Senkung des Muskeltonus, also
der Kontraktionsfähigkeit, führen. Auch dies wirkt sich positiv auf
die Beweglichkeit aus und kann außerdem chronische Schmerzen lindern helfen.
Für wen ist das Stangerbad geeignet?
Das Stangerbad besitzt eine ganze Reihe an positiven Effekten auf den Körper,
weshalb es bei verschiedenen Indikationen sinnvoll sein kann. Als von den Krankenkassen
anerkannte Maßnahme gibt es hier eine Auflistung verschiedener Krankheitsbilder
und Beschwerden, welche zur Behandlung mit dem Stangerbad zugelassen sind. Im
Einzelfall liegt es jedoch immer im Ermessen des behandelnden Arztes und der
Versicherung selbst, ob die Behandlung als notwendig und sinnvoll angesehen wird.
Durch die individuelle Regulierung des Stangerbads mit Plus- und Minuspol kann
die Anwendung sowohl beim sogenannten Muskelhypertonus, also einer Überkrampfung
des Muskelgewebes, als auch bei gegenteiligen Leiden wie Spastiken hilfreich
sein. Zu den weiteren Anwendungsgebieten zählen vielerlei Beschwerden der
Stütz- und Haltemuskulatur wie Ischias-Schmerzen, aber auch Rheuma oder
chronische Wirbelsäulenleiden mit Schmerzen. Darüber hinaus kann das
Stangerbad im Rahmen der Rehabilitation nach Unfällen oder Operationen positiv
auf die Beweglichkeit wirken. Die spezielle Maßnahme mit ihrem hydroelektrischen
Reiz auf den Körper ist jedoch bei einigen Patienten auch kontraindiziert.
So darf das Bad nicht angewendet werden bei verschiedenen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems,
insbesondere bei akuten oder chronischen Herzbeschwerden. Wer unter Fieber oder
Grippe leidet, sollte in der Zeit ebenfalls von einer Behandlung absehen.
Wo man die Behandlung durchführen kann
Die positive Wirkung der Behandlung ist unumstritten, weshalb Stangerbäder
seit Jahrzehnten zu den Standardeinrichtungen in großen Kurhäusern,
Reha-Kliniken und Schwimmbädern mit heiltherapeutischer Einrichtung gehören.
So kann man das Stangerbad beispielsweise im Rahmen einer Kur (Indikationen siehe
oben) oder auch ambulant durchführen, wenn ein entsprechendes Kurhaus oder
Schwimmbad mit Kurabteilung in Wohnortnähe zu finden ist. Weil das Stangerbad
durch seinen hohen Wasserverbrauch ebenso wie die Anschaffung der Wanne relativ
kostspielig ist, findet man es eher selten in der Physiotherapie-Praxis. Doch
auch größere Einrichtungen ersetzen das Stangerbad mehr und mehr durch
das sogenannte Vierzellen-Bad, welches ebenfalls eine hydroelektrische Behandlung
darstellt und dabei weitaus günstiger unterhalten werden kann.